6 Anzeichen, dass deine Zeiterfassung sinnlos ist

 

 Niclas Preisner, 30. Oktober 2021
6 Anzeichen, dass deine Zeiterfassung sinnlos ist

Lesezeit: 5 Minuten

Zeiten für Projekte zu erfassen, gilt als notwendiges Übel. Doch was viele nicht wissen:

Überhaupt keine Zeiten zu erfassen richtet weniger Schaden an, als Zeiten schlecht zu erfassen.

Im Folgenden haben wir 6 Anzeichen für falsche Projektzeiten zusammengetragen. Finde heraus, ob – und warum du dir Zeiterfassung vielleicht lieber sparen solltest.

Warum lieber gar nicht erfassen – anstatt schlecht?

 
Weil du so wenigstens keine Zeit verschwendest.

Projektzeiterfassung dient nur einem Zweck: Sie soll Daten liefern für Entscheidungen, die den Gewinn beeinflussen.

Beispiele:
 

  • Was sollte ich dem Kunden in Rechnung stellen?
  • Wie viel Zeit sollte ich für ein Projekt dieser Art einplanen?
  • Welche Preise sollte ich in meine Angebote schreiben?
  • Sollte ich weitere Projekte annehmen – oder bin ich ausgelastet?
  • Welche Leistungen sollte ich anbieten – und welche sind nicht profitabel?
  • uvm.

Sicher ist es keine gute Idee, diese Entscheidungen aus dem Bauch zu treffen. Doch es ist allemal besser als sich auf falsche Zeiten zu verlassen.

Schlechte Zeiterfassung kostet Geld

 
Wenn ich mir bewusst bin, dass ich meinen Aufwand für verschiedene Aufgaben/Projekte nicht kenne, kann ich mich wenigstens anderen Geschäftsmodellen zuwenden.

Ich könnte z.B. mit einem nutzenorientierten Pricing arbeiten statt mit einer aufwandsorientierten Margenkalkulation.

Wenn ich aber fälschlicher Weise glaube, meinen Aufwand zu kennen – und ihn zur Grundlage meiner Entscheidungen mache, sind die Entscheidungen mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch und führen zu Gewinneinbußen – z.B. durch verpassten Umsatz oder ungenutzte Kapazitäten.

Dazu kommt, ich verliere Zeit und Nerven. Ich bezahle also mit meiner Zeit für einen Prozess, der zu falschen Entscheidungen führt. Die mich abermals Geld kosten.
 

Wenn du mehr als eines der folgenden Anzeichen bemerkst – solltest du deine Zeiterfassung kritisch in Frage stellen:

1. Du erfasst deine Zeiten nicht täglich

 
Laut der Studie Time is money sind Projektzeiten zu mindestens 33% falsch oder landen auf den falschen Projekten – selbst wenn du sie noch am selben Tag erfasst.

Schuld ist die sogenannte Vergessenskurve: Je mehr Zeit vergeht, desto ungenauer wird deine Erinnerung – und damit deine Schätzung.

Erfasst du nur alle 2-3 Tage hast du bereits 46% deiner Zeitverwendung vergessen. Vergeht mehr als eine Woche, sind 64% vergessen.

Das heißt: Tägliche Zeiterfassung ist die Grundvoraussetzung, dass deine Zeiten wenigstens halbwegs realistisch sind.

2. Du erfasst Zeiten nur in ganzen Stunden

 
Du notierst dir deine Arbeitszeiten für Projekte nur in ganzen Stundenschritten, z.B.:

Projekt A = 2 Stunden Projekt B = 3 Stunden Projekt C = 1 Stunde usw.

Selbst Halbstundenschritte sind eigentlich zu ungenau. In der Realität kommen halbe und glatte Stunden genauso häufig vor wie alle anderen Zeiten.

Das heißt, wer Zeiten nur in ganzen oder halben Stunden denkt – liegt grundsätzlich immer schon mal ca. 15-30 Minuten daneben. Das läppert sich gewaltig.

Im Monat gehen einer einzelnen Person dadurch schnell mal 40 Stunden verloren – das ist eine komplette falsch erfasste Woche.

3. Du nutzt eine Software mit Stoppuhrfunktion

 
Eine Stoppuhr zu starten, schaffen die meisten Menschen noch. Die Stoppuhr bei Unterbrechungen oder Beenden von Aufgaben wieder zu stoppen, gelingt kaum jemandem auf Dauer.

Wenn der Arbeitstag an Fahrt aufnimmt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man die Stoppuhr vergisst. So kommt es immer wieder zu Tagen, an denen man 4-5 Aufgaben erledigt hat, aber nur 1-2 große Zeitblöcke gestoppt hat.

Das heißt, man muss die Zeiten oft verwerfen und landet am Ende wieder beim Schätzen.

Stoppuhren liefern also keine besseren Ergebnisse liefern als Schätzen – aber erfordern permanente Interaktion beim Starten & Stoppen von neuen Aufgaben.

Dieser enorme Zeitaufwand ist regelmäßig umsonst, sobald man die Stoppuhr mal wieder vergessen hat.

4. Du hast Kollegen, die ihre Zeiten nie erfassen

 
Selbstständige können direkt zu Punkt 6 springen – aber Angestellte sollten sich bewusst sein:

Sobald es auch nur einen Kollegen auf eurem Projekt gibt, der seine Zeiten gar nicht erfasst oder seltener als einmal die Woche, werden die Zeiten des Teams so sehr verfälscht, dass die eigene Zeiterfassung praktisch umsonst war.

In Teams werden die Zeiten von Mitarbeitern selten einzeln betrachtet. Vielmehr geht es um die Gesamtstunden pro Projekt, Unterprojekt oder Projektabschnitt.

Das heißt: Fehlen die Zeiten eines Kollegen oder sind sie grob falsch, werden die eigenen Projektzeiten dadurch Teil einer falschen Gesamtzeit.

Es wird dadurch also egal, wie viel Mühe man sich gegeben hat. Sie war umsonst.

5. Dein Chef erwartet, dass du immer 8 Stunden einträgst

 
Wenn der Chef suggeriert, dass alle 8 Stunden der Anwesenheitszeit auch als Projektzeit erfasst sehen möchte, werden Mitarbeiter ihre Zeiten eben so aufrunden, dass sich eine Summe von 8 Stunden ergibt. Also eine Auslastung mit Projekten von 100%.

Doch eine realistische Auslastung mit Projekten liegt bei Dienstleistern zwischen 40% und 60%. Außergewöhnlich gut sind 70-80%. Den Rest der Zeit fließt notwendiger Weise in interne Kommunikation, Administration oder Leerlauf.

Die Erwartung einer höheren Auslastung ist also weder realistisch noch sinnvoll, denn es führt den eigentlichen Zweck der Projektzeiterfassung ad absurdum:

Man möchte ja wissen, wie viel Zeit REAL auf Projekten gearbeitet wurde, um auf dieser Basis die oben genannten Entscheidungen treffen zu können.

6. Du musst ständig Überstunden machen

 
Sicher gibt es auch selbst verschuldete Überstunden. Wenn sie aber eher die Regel sind als eine Ausnahme, gibt es dafür nur zwei mögliche Gründe:

Schlechte Planung – oder bewusste Ausbeutung.

Beide haben eines gemeinsam: es werden zu wenige Ressourcen bzw. eine zu geringe Stundenzahl für Aufgaben angesetzt.

Ist das der Fall, orientiert man sich bei der Planung entweder regelmäßig an falschen Zeiten vergangener Projekte – oder man ignoriert bewusst die richtigen Zeiten.

Beides bedeutet, dass die Zeiterfassung anscheinend umsonst war und man damit nur Zeit verschwendet hat.

Meine Zeiterfassung ist sinnlos – was kann ich tun?

 
Wenn dir einige unserer 6 Anzeichen bekannt vorkommen, hast du logischer Weise zwei Möglichkeiten:

Aufhören mit Zeiterfassung – oder die Zeiterfassung verbessern.

Als Angestellter kannst du das wahrscheinlich nicht alleine entscheiden, aber immerhin kannst du dich mit guten Argumenten dafür einsetzen.

Disziplinierte Zeiterfassung führt nachweislich zu bestmöglicher Profitabilität. Aber dafür muss die Zeiterfassung präzise, lückenlos und aktuell sein.

Verbessern kann man seine Zeiterfassung, indem man sich an eine von drei möglichen Herangehensweisen hält, die wir im in diesem Beitrag für euch beschrieben haben.

Wer das nicht leisten kann – oder wer der Meinung ist, so genau müsste das alles nicht sein und man bräuchte nur ungefähre Werte, der sollte lieber konsequent sein und gleich nach seinem Bauchgefühl gehen. Sprich auf Zeiterfassung verzichten.

Zu gewinnen gibt es dabei auf Dauer wenig. Aber immerhin verliert man keine Zeit mehr.

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